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Cocos-Keeling nach Mauritius
3.November 2010
Sturm, Wasserfluten und
nächtlicher Regenbogen
Das Abenteuer Weltumsegelung wird
immer faszinierender! Seit sechs Tagen
sind wir auf hoher See, auf dem Weg
von Cocos Keeling nach Mauritius.
Runde 1‘000 von insgesamt 2‘350
Seemeilen haben wir bereits geschafft.
Trotz schlechter Wetterprognosen sind
wir planmäßig am Montag, 27.
September, gestartet. Schon kurz nach
dem Start sehen wir eine bedrohlich
wirkende, tiefschwarze Wolkenwand.
Was soll’s, wir sind guter Dinge,
schließlich haben wir Ähnliches schon
öfter gesehen und erfolgreich umschifft.
Diesmal jedoch segeln wir mutig mittenrein, es wird schon schiefgehen. Geht es auch, wir
werden mächtig nass und so bleibt es dann auch für die nächsten Tage. Kräftiger Seegang,
Regen und Sturmböen mit in der Spitze 50 Knoten Windgeschwindigkeit! Die Destiny wird
heftig durchgeschaukelt und mit ihr die Mannschaft, was vor allem Silvia’s Magen nicht so
gut bekommt, aber auch der hat sich mittlerweile an die Achterbahnfahrt gewöhnt. Überall
hängen nasse Jacken, Hosen, triefende Handtücher und ein seemännischer Duft strömt
durch’s Schiff… Der Seegang wird immer stärker, die Wellen türmen sich teilweise über die
Aufbauten auf, so an die fünf Meter dürften es sein. In der dritten Nacht wird es ganz
ungemütlich, die Obst- und Gemüsekisten auf der Backbordseite fallen mit einem lauten
Knall runter und der Inhalt wird großzügig im Rumpf verteilt. Gleichzeitig scheppert es in
der Kombüse, die Kaffeekanne geht zu Bruch und zu guter Letzt fliegt die gesamte
Bibliothek durch den Salon…mit der Nachtruhe ist es vorbei. Mittlerweile haben wir alles
sturmsicher verpackt, die Sonne scheint wieder, alles ist trocken, was wollen wir mehr.
Während der letzten Nachtwache konnten wir ein seltenes Phänomen beobachten. Gegen
vier klart der Nachthimmel auf, über uns ein herrliches Sternenzelt mit Mondsichel, soweit
nichts Ungewöhnliches, bis… vor uns auf einmal ein riesiger Bogen in Weiß erscheint, ein
nächtlicher Regenbogen! Ein wunderschöner Anblick, wir sind wie verzaubert!
Heute ist Sonntag und wir lassen uns beim Frühstücken etwas  mehr Zeit, fast wie zuhause.
Zum Sonntagskaffee am Nachmittag gibt es den schon zur Gepflogenheit gewordenen
Schweizer Apfelkuchen, zum Dinner wird ein Rinderbraten an Rotweinsauce mit Kartoffeln
und Gemüse gereicht…und das alles bei Windstärke 30-36, 8 Knoten Fahrt, dreifach
gerefftem Groß und Sturmfock!
All’s well on board! Allen zuhause liebe Grüße
Wolfgang, Hermann und Silvia, Udo und Anne, Uli
Bergfest und Wetterfrosch
Montag, 4. Oktober: Herrliches Segelwetter – strahlend blauer Himmel, Sonnenschein, 34
Knoten Wind aus Süd/Südost, Superstimmung an Bord! Silvia und Anne freuen sich auf
einen geruhsamen Tag, vielleicht ist heute ein Sonnenbad im Trapez möglich!? Gerade sind
die Damen dabei, eine kräftigende Zwischenmahlzeit – Erbsensuppe mit Croutons –
zuzubereiten, damit die Mannschaft „a Rua gibt“ und wir mit einer guten Unterlage das
Bergfest begießen können, denn heute um die Mittagszeit haben wir die Hälfte der Strecke
geschafft! – da beschließt Wolfgang ganz spontan, das Thema „Genua“ anzugehen. Seit
gestern früh lässt selbige sich nämlich nicht mehr über den Rollmechanismus bedienen.
Gesagt getan, die Vier (Wolfgang, Hermann, Udo, Uli) werden aktiv. Wolfgang muss im
Bootsmannstuhl zur Mastspitze (23 Meter, Wellenhöhe 4 Meter!) hochgezogen werden, um
dann von seinem „Ausguck“ die Befehle an die bereitstehende Mannschaft zu erteilen.
Klappt alles soweit, nur kann man Wolfgang kaum mehr verstehen, der Wind und die
Geräusche der wogenden See machen eine Verständigung schier unmöglich. Auf dem
Vorschiff der Destiny herrscht hektisches Treiben. Jeder ist irgendwie mit irgendetwas
beschäftigt und alle schreien aus Leibeskräften, am meisten unser „Wetterfrosch“ Wolfgang
aus luftiger Höhe…nur den versteht hier unten keiner. Also werden Leinen gezogen, es wird
gefiert und dicht geholt, die Drei auf dem Vordeck geizen nicht mit kreativen Vorschlägen,
dem Problem beizukommen. Wolfgang schreit sich die Lunge aus dem Hals, alle Mann
gucken freundlich nach oben und versuchen zu ergründen, was denn der Kapitän wohl
meinen könnte. Schlussendlich einigt man sich darauf, die Genua zu bergen und Wolfgang
wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Unten angekommen „erklärt“
Wolfgang, was er denn eigentlich von oben sagen wollte und dass er sich unnötigerweise
fast eine halbe Stunde grüne und blaue Flecken hat holen müssen. Silvia und Anne
verarzten die Wunden des Kapitäns, versorgen ihn mit Arnika-Globuli und einem kühlen
Bier, das Stimmungsbarometer steigt. Die Genua funktioniert wieder, die Erbsensuppe
kommt gut an, nur aus dem Sonnenbad im Trapez wird nun nichts mehr, das Abendessen
muss vorbereitet werden…
All’s well on board! Liebe Grüße an alle zuhause
Wolfgang, Hermann und Silvia, Udo und Anne, Uli
Stunts und Akrobatik auf der Destiny
2010 10 08
Daily Log
Es ist Mittwoch, 6. Oktober 2010, 16:00 Uhr: nach einer Woche Sturm und Regen steht die
Sonne hoch am Himmel. Ca. 850 Seemeilen bis Mauritius und alle rechnen aus, wann wir
wohl da sein werden. Der Wind hat zugenommen und kommt mit bis zu 22 Knoten aus
Südost. Der Blick des Kapitäns geht ständig nach oben zur Windfahne. Wir sind an der
Grenze, um mit dem Spinnaker bei diesen Böen weiter zu segeln – und da passiert es denn
auch. Durch eine kräftige Böe fällt der Spinnaker ein. Bedingt durch die etwa vier Meter
hohen Wellen macht die Destiny starke seitliche  Auf- und Ab- Bewegungen, wenn die
Wellen von hinten auf uns zurollen. Durch die kurzen aber heftigen Böen reißt der Spinnaker
und wickelt sich 2-3 mal um die aufgerollte Genua. Die Trompete am Hals des Spinnakers
gerät unter das Spifall. Wolfgang versucht noch, durch Drehbewegungen den Spi aus der
verhängnisvollen Lage zu fahren, aber dies gelingt nicht und der Spinnaker bleibt wie ein
BH an der Rollgenua hängen. Die Bergeleinen sind mit eingewickelt und so lässt sich der
Spi nicht bergen. Wir versuchen, die Steuerbord- und Backbordschotenden so gut es geht
einzurollen und festzubinden, um dem Spi  möglichst viel Segelfläche zu nehmen. Das Groß
wird geborgen, um Fahrt aus dem Schiff zu nehmen. Da das Spifall nicht zur Verfügung
steht, wird Wolfgang mit dem Grossfall im Bootsmannstuhl in die Mastspitze gezogen. Da
baumelt er jetzt in 23 Meter Höhe und wird durch die starken Schwankungen des Schiffes
von einer Seite zu anderen geschleudert .Wir halten den Atem an, hoffentlich passiert ihm
da oben nichts.
Da der Mast der Destiny ca. 10 Grad nach hinten geneigt ist, kostet es eine ungeheure
Kraftanstrengung, sich da oben mit einer Hand festzuhalten und mit der anderen Hand das
Spifall zu lösen. Von unten sieht alles so einfach aus, doch es ist ein kraftzehrender Akt.
Erschwerend kommt hinzu, dass dabei die Balance gehalten werden muss. Gerade wenn wir
meinen, jetzt hat er das Fall, kommt eine Welle  dazwischen und der eigentlich leichte
Bootshaken, mit dem er versucht, das Fall zu erwischen, ist kiloschwer und immer 10 cm zu
kurz. Nach vielen Kraftanstrengungen bekommt er das Fall zu fassen und die Aktion beginnt
von vorn: entwickeln! Nach 2 Stunden mühsamer Meisterleistung in 23 Meter Höhe, bei vier
Meter hohen Wellen und 5 Knoten Fahrt lassen wir Wolfgang langsam von oben wieder auf
das Deck herab. Er ist völlig erschöpft und voller blauer Flecken und Schürfwunden. Alle
sind erleichtert, dass Wolfgang nichts passiert ist!!!
Wir beschließen, das Gross zu setzen und den Spinnaker über Nacht an der Rollgenua
hängen zu lassen.  Hermann lässt einen seiner vielen Sprüche fallen, indem er zu Wolfgang
sagt: „ Spreche Anerkennung in aller schärfster Form aus!“  Wir können durchatmen, für’s
erste sind wir wieder manövrierfähig.
Donnerstag, 7.Oktober,  Stunts auf der Destiny ,Teil 2
Keiner hat so richtig geschlafen, jeder hat sich überlegt: wie bringen wir den Spi da runter!
Bei den Nachtwachen ging immer der Blick nach oben: hält er oder stürzt er jetzt ab! Nach
dem Frühstück und der jeden Morgen stattfindenden Funkrunde wird Wolfgang nochmal  -
diesmal mit dem Spibaumfall - nach oben gezogen, um das in der Backbordwant  immer
noch verfangene Spifall zu entwirren, was schließlich gelingt. Nach vielen Diskussionen
über das weitere Vorgehen, beschließen wir, den Spinnaker von unten ausgehend zu
zerschneiden – diesmal mit neuen Akteuren. Hermann  erklärt sich bereit, am Vorstag
hinaufzuklettern, um die Rollgenua von dem inzwischen völlig verwickelten Spinnaker zu
befreien. Er wird langsam im Bootsmannstuhl mit dem nun freien Spifall nach oben
gezogen. Mit zwei Leinen wird er seitlich gegen das Ausschwingen gesichert. Wie ein
Klammeraffe hängt er mit den Beinen am Stag, mit dem Lifebelt gesichert, damit er nicht an
dem 30 Grad schräg laufenden Stag nach hinten auspendelt. Mühsam schneidet er sich
Stück für Stück durch den Spi. Mehrfach muss er wieder nach unten gelassen werden, um
Kräfte für einen erneuten Anlauf zu schöpfen. Als sparsamer Schwabe überlegt er bei jedem
Schnitt, was der wohl jetzt kosten würde und es tut schon weh, wenn man die vielen 100 €-
Scheine im Indischen Ocean verschwinden sieht. Kurz vor 16:00 Uhr der Ruf von oben: „
Vorsicht die Trompete stürzt ab“! Alles bringt sich in Sicherheit und mit lautem Knall schlägt
die Trompete auf das Steuerbordeck! Es ist geschafft, die Genua ist frei! Wir lassen
Hermann vorsichtig auf das Deck herunter. Auch er ist völlig erschöpft von der
Kraftanstrengung da oben. Nach einer Ruhepause und dem nötigen Manöverschluck wird
auch Herman „Die Anerkennung in aller schärfster Form ausgesprochen“!
Heute, Freitag, 8. Oktober: wir haben sehr gut geschlafen. Wolfgang’s etwas
schmerzverzerrtes Gesicht beim Treppensteigen und Hermann’s Muskelkater erinnern noch
an die Aufregungen der letzten zwei Tage, ansonsten sind wir guter Dinge und es ist eine
fröhliche Stimmung an Bord. Noch gute 500 Seemeilen bis Mauritius.
Allen zuhause herzliche Grüße
Wolfgang, Silvia und Hermann, Anne und Udo, Uli